Ich möchte heute Abend etwas erzählen über Shiva. Shiva ist ein Aspekt des Göttlichen, welcher besonders in zwölf Tagen verehrt wird, am Donnerstag in acht Tagen, um genau zu sein. Da ist Shivaratri, die heilige Nacht des Shiva. Und Shiva ist ein sehr umfassender Aspekt der Wahrheit. Letztlich muss man ja sehen, im Yoga geht man ja nicht davon aus, dass es verschiedene Götter gibt oder verschiedene Wahrheiten, es gibt eine kosmische allumfassende Wahrheit, aber es gibt verschiedene Weisen, wie man sich dieser Wahrheit nähern kann. Und man kann zuerst mal die Wahrheit sehen als unendlich, abstrakt, ewig, unbegreiflich, jenseits von allem Verständlichen. Man kann es dann Brahman nennen. Oder man kann sagen, Gott ist die göttliche Mutter, sie kümmert sich um alles, gibt mir alles, was ich brauche. Wenn ich in die Natur gehe und dort die Bäume anschaue und wenn ich den Himmel anschaue und wenn ich dort den Bach plätschern höre, dann weiß ich, ja, da ist die göttliche Mutter. Und wenn ich esse und überlege, diese Großartigkeit, man isst, und es gibt all das, was wir brauchen, und es schmeckt und es nährt und wir wachsen und können gesund bleiben, können wir voller Dankbarkeit und Ehrerbietung sein. Oder wir können auch anfangen, Gott zu sehen als Krishna. Er spielt mit der Flöte, so wie ihr dort seht, er lächelt so, manchmal sieht er auch noch etwas schalkhafter aus. Und so ähnlich wie, Gott führt uns manchmal so ein bisschen an der Nase herum, er macht mit uns seine Spielchen und dann verlieren wir uns in irgendwelchen überflüssigen Streitigkeiten und danach muss man über sich selbst lachen – hoffentlich kann man über sich selbst lachen – das ist eine typische Krishna-Eigenschaft. Und dann genießt man wieder, wie schön doch alles ist, wenn man das Ganze als ein Spiel ansieht, das die verschiedensten Herausforderungen hat. Wir können Gott sehen wie Saraswati. Saraswati, die Göttin der Künste, von allem Schönen, von allem Guten, von allem Kreativen in den Künsten. Gerade vorher, wir haben ja ein so wunderschönes Mantra Singen gehört und wir fühlen, wie das ganz zu Herzen geht, und dann kann man sagen, da ist Gott zu spüren. Oder wenn wir ein schönes Gemälde sehen oder so vieles, was Menschen Wunderbares machen, was die Natur Wunderbares macht, so können wir Gott sehen. Aber egal, ob wir Gott jetzt zunächst wie Saraswati oder wie Brahman, unbegreiflich, oder wie die göttliche Mutter oder Krishna, Lebensfreude, Liebe, Schalkhaftes sehen, es bleibt immer der gleiche. Und wann immer wir tiefer in einen Aspekt hineingehen, finden wir immer alle Aspekte drin. Und so ist es letztlich auch mit Shiva. Shiva, wird meistens gesagt, er ist der Zerstörer. Mögen wir nicht, oder? Saraswati ist nett, die ist schöpferisch, Vishnu ist auch nett, hält Frieden und Gerechtigkeit in der Welt, aber Shiva, der zerstört alles. Das ist ein Aspekt. Und natürlich, das Auflösen ist auch wichtig, das Zerstören, denn angenommen, es würde nichts zerstört werden, dann könnte auch nichts Neues passieren. Z.B. jetzt werde ich gerade shivamäßig aktiv, ich zerstöre den Wasserinhalt dieses Glases. Habt ihr das gesehen? Ich betätige mich gerade als Shiva. Nochmal. Dadurch, dass ich jetzt das Wasser in diesem Glas zerstöre, schaffe ich irgendwelche Flüssigkeit in diesem Körper, ich schaffe nachher Flüssigkeit außerhalb dieses Körpers und ich erhalte das Leben dieses Körpers. Aber dazu muss irgendetwas auch zerstört werden. Oder wenn wir natürlich auch jetzt in unser spirituelles Wachstum gehen und die ganzen göttlichen Aspekte symbolisieren ja auch etwas, was wir selbst tun müssen, dazu gehört auch, dass wir an uns arbeiten und dass wir auch etwas loslassen. Wenn wir nicht loslassen, dann sind wir so wie eine Kanurudergruppe. Wer letzten oder vorletzten Samstag hier war, ich habe da so eine Geschichte erzählt. Es gab da so eine Gruppe, die sind mit dem Boot irgendwo hin gefahren, in die große Stadt, und dort am Abend haben sie sich ein bisschen betrunken und dann wollten sie zurückfahren mit dem Boot und haben gerudert und gerudert und gerudert und am nächsten Morgen waren sie genau an der gleichen Stelle geblieben. Warum? Sie haben das Tau nicht vom Ufer weggenommen. So machen wir das manchmal. Wir halten unser Tau fest und rudern und rudern und rudern und wundern uns, dass wir nirgendwo hinkommen. Manchmal ist die Ruderkraft des Yoga so stark, dass die Taue dann auch reißen, und auch ohne, dass wir sie formell gekappt haben, sie von selbst verschwinden. Viele kennen das, wenn man mit Yoga anfängt, viele schlechte Gewohnheiten hören ganz von selbst auf, ohne dass man sich irgendwie bemühen müsste. Einfach geschieht dort irgendetwas sehr Positives. Aber ab und zu mal gilt es auch, wir bemühen uns, irgendetwas loszulassen, wir bemühen uns, irgendwelche Verhaftungen loszulassen und irgendwelche schlechten Angewohnheiten loszulassen. Und hier, von euch aus gesehen rechts, dort seht ihr ja ein schönes Bild von Shiva und ihr seht dort, Shiva hat in seiner linken Hand so einen Dreizack. Und der Dreizack symbolisiert durchaus auch, dass man mal mit Vehemenz an sich arbeitet, dass man auch mal mit Vehemenz seine Verhaftungen überwindet. Und dann sieht man auch noch Shiva auf einem Tigerfell sitzen. Auf einem Tigerfell sitzen symbolisiert zum einen, dass man sitzen bleibt, auch wenn man aus dem Westerwald ist und insbesondere, wenn man Teil der Meditationskursleiterausbildung ist. Aber er kommt wieder, hoffe ich. Das war jetzt fies von mir, aber irgendwo, wo ich gerade von Tiger gesprochen habe… Er wird es mir hoffentlich verzeihen. Also, das Tigerfell symbolisiert, dass wir durchaus auch mal mit Vehemenz an Dinge rangehen. Und hier sieht man auch, der Tiger sieht ja reichlich lebendig aus. Das symbolisiert auch, dass das Zerstören nicht wirklich ein Zerstören ist, sondern ein Transformieren. Vieles, was wir in uns tragen, wenn wir lernen, damit geschickt umzugehen und wenn wir es transformieren, dann wird es nachher zum Schmuck. Es gibt so viele Eigenschaften, die einen stören können, aber wir können diese Eigenschaften auch transformieren. Indem wir sie transformieren, dort werden sie zu etwas Positivem. So z.B., jeder Mensch hat scheinbar positive und scheinbar negative Eigenschaften. Aber nahezu jede negative Eigenschaft hat auch einen positiven Kern. Z.B. zweifellos, Aggressivität ist erst mal was Negatives. Ahimsa Paramo Dharma, Nicht-Verletzen ist die höchste Tugend. Nur, Aggression im Sinne – wer sich z.B. mit Astrologie beschäftigt – ist ein Maßprinzip und ursprünglich kommt Aggression vom Lateinischen aggredere und aggredere heißt, etwas angehen. Aggression heißt dann durchaus, das Positive daran ist, wir gehen etwas an, wir tun etwas, wir bemühen uns. Und so, die zerstörerische Aggression, die riesiges Unrecht und riesiges Leid in diese Welt gebracht hat, die kann auch, wenn sie in die richtigen Kanäle gelenkt wird, viel Positives bewirken. Oder Angst, wird man auch sagen, ist erst mal etwas Positives oder was Negatives? Shivakami gibt öfters solche Seminare „Die Überwindung von Ärger und Angst“, meistens meint sie, „Umgang mit Ärger und Angst“, aber „Überwindung von Ärger und Angst“ – den Titel habe ich ursprünglich erfunden – das kommt besser an. Und ich habe auch damit angefangen und irgendwann hat sie das dann übernommen und eigentlich ist es mehr lernen, umzugehen damit. Gut, Angst, natürlich, wenn man Angst hat und deshalb sich nicht traut, Menschen anzusprechen, sich nicht traut, Aufgaben zu übernehmen, sich nicht traut… Ihr könnt euch ja selbst noch aussuchen, was. Wenn ich jetzt zu viele Beispiele gebrauche, sind mir irgendwelche Menschen böse, warum ich gerade sie herausgreife, obgleich ich niemanden konkret herausgreifen will, außer, eben habe ich einen herausgegriffen. Aber die, die ich nicht mit Namen genannt habe, greife ich jetzt nicht heraus. Also, die Angst kann einen davon abhalten, das zu tun, was in einem angelegt ist, dass zur Entfaltung zu bringen, was in einem angelegt ist. Aber Angst an sich ist auch nichts Schlechtes. Angenommen, wir hätten überhaupt keine Angst, dann würde man vielleicht zu wagemutig sein, dann würde man vermutlich nicht mehr als ein paar Tage überleben. Und dann hat man zwar keine Angst gehabt, aber man muss sich bald einen neuen Körper suchen, um dann irgendwo an seiner Evolution weiter zu arbeiten, wenn man an Reinkarnation glaubt, wie ich das tue. Westerwald ist wieder da, wie vollzählig. Die Nordsee sitzt auch vollzählig da. Wo ist der zweite von der Nordsee? Hier. Können jetzt gerade mal beide Westerwäldler mal aufstehen? Ich hoffe, dass der andere da ist. Ja, der ist da. Er hat ja vorher auch gesungen. Und beide Nordseeler mal aufstehen, von unserem Ashram an der Nordsee. Florian macht die Yogalehrerausbildung und Devani die Meditationskursleiterausbildung und die beiden Westerwaldmitarbeiter machen die Meditationskursleiterausbildung.
Also, Angst kann aber auch was Positives sein. Es gilt, sie so zu transformieren, dass es ein Schmuck ist, und es gilt, mit der Angst so umzugehen, dass sie eben nicht etwas Bedrohliches ist, wo wir über irgendwelche Ängste bis zur Paranoia uns und anderen das Leben schwer machen. Shiva als Zerstörer.
(unbearbeitete Niederschrift eines Vortrags von Sukadev bei Yoga Vidya Bad Meinberg)