Rudra ist ein besonders geheimnisvoller Aspekt Gottes. Schon in den Veden wird Rudra immer wieder erwähnt. Es ranken sich viele Mythen um Rudra. Swami Sivananda hat Folgendes geschrieben in seinem Buch „All About Hinduism“:
Einige unwissende Menschen denken, dass Rudra eine bösartige und schreckliche Gottheit sei, die Zerstörung verursacht. Sie glauben, dass Rudra ein Gott der Strafe sei. Das ist nicht der Fall. Rudra ist der Gott, der Wohlstand verleiht und Leiden zerstört. Er ist eine mildtätige Gottheit, die Glück, Nachkommen und Vieh verleiht. Er ist der Überbringer oder die Quelle des Wohlstands.
Shiva oder Rudra bedeutet: Der, der Sünden oder Leid auslöscht. Die Namen Bhava, Sarva, Pashupati, Ugra, Mahadeva, Ishana und Asani werden auch für Rudra verwendet. Pasupati bedeutet Herr oder Beschützer des Viehs.
In den Veden findet man Gebete wie: „Oh Rudra! Möge unsere Nachkommenschaft wachsen“. „Ihr, O Rudra, seid das höchste aller Wesen, der Stärkste der Starken, der, der über die Gewitter herrscht; schützt uns, bringt uns glücklich durch alles Unheil und treibt alles Böse fort“. „Befreit uns von allen Sünden, die wir begangen haben.“ Somit ist Rudra kein Gott der Furcht, sondern ein Quell von Wohlstand und Wohlergehen. Er ist der eine Herr des Universums.
Rudra ist das Vorbild der Bettelmönche, denn Rudra allein wird, unter allen Gottheiten, in den Schriften als der Bettelmöch-Gott beschrieben. In der Rigveda wird er als Besitzer eines Kamandalu, dem Wasserkessel eines Asketen, beschreiben.
In der Svetashvatara Upanishad, Kapitel 3, findet man: „Es gibt den einen Rudra, der allein die Welt mit seiner Macht regiert. Es gibt niemanden neben ihm, der ihm ebenbürtig ist. Er ist in den Herzen aller Wesen gegenwärtig. Er schafft alle Welten, erhält sie und löst sie schließlich wieder in sich auf.“
Rudra steht hier für Brahman oder das höchste Selbst, das Unendliche oder das Absolute.
Rudra, wird, nach dem er alle Objekte geschaffen hat, am Ende der Zeit alle wieder vereinen oder in sich aufnehmen. Dies ist kosmisches Pralaya oder Auflösung.
Rudra ist auch der destruktive Aspekt von Shiva. In der kosmischen Hierarchie gibt es elf Rudras. Spirituell gesehen stehen sie für die fünf Pranas, die fünf Upapranas und den Geist. Hanuman ist ausschließlich ein Aspekt von Rudra.
Im Shiva-Purana ist Rudra ein anderer Name für Shiva. Rudra ist der, der die Sünden zerstört, das Elend seiner Verehrer entfernt und ihnen Weisheit und Freude verleiht. Rudra ist der Antaryamin oder Bewohner aller Wesen. Er beobachtet still alle Handlungen und Gedanken der Menschen und verteilt die Früchte ihrer Handlungen.
„Der eine Gott, der seine Augen, sein Antlitz, seine Arme und Füße in allen Orten hat, schafft Himmel und Erde und schmiedet sie zusammen mit seinen Armen und Flügeln.“
Möge Rudra, der Schöpfer und Näherer der Götter, der große Seher, der Herr von Allem, der den Hiranyagarbha schuf, uns mit einem guten und reinen Geist versehen.
„Rudra, mit Eurer Gestalt, die glückverheißend und nicht fürchterlich ist, die sich im Heiligen manifestiert, in Eurer geheiligten Form, erscheint uns, der Ihr (als Asket, Anm. d. Übers) in den Bergen wohnt.“