Krishna lebte also in diesem riesen Palast, regierte über einen eigenen Kontinent, den er selbst aus einer Yogamaya heraus geschaffen hatte. Und dann gab es diesen anderen Schulkameraden, der mit ihm zusammen in eine Schule gegangen ist, also beim gleichen Guru gelebt hat, damals waren sie ganz einfach. Nur dieser hat es nicht zu viel gebracht in seinem Leben. Er hatte zwar einen makellosen Charakter und er hatte auch so eine ganz einfach Landwirtschaft, aber wenn es schlechtes Wetter war, dann musste die ganze Familie hungern und er hatte einige Kinder gehabt. Und ab und zu mal ging es ihnen etwas besser und dann war es wieder schwieriger. Und die Frau von ihm, die sagte ihm: „Geh doch mal zu Krishna, das ist doch dein Freund. Du hast mir immer erzählt, wie schön ihr dort zusammen wart und wie gut ihr bei dem Lehrer zusammen wart und wie das so war in eurer Schulzeit. Jetzt geh doch mal hin! Warum müssen wir so leiden?“ Dann sagte er: „Nein, ich kann doch nicht zu Krishna gehen als Bettler, er ist doch mein Freund.“ „Aber du kannst uns doch hier nicht hungern lassen.“ Und eines Jahres war es wieder soweit, es gab eine Trockenheit und sein ganzes Feld war verdörrt und die ganze Familie war am hungern. Schließlich, ehe es wieder Ehestreit gab, hat er gesagt: „Ok, dann gehe ich halt.“ Und dann sagte er aber noch: „Aber irgendein Geschenk muss ich ihm dann mitbringen.“ Sagte sie: „Geschenk, was braucht denn der Krishna von uns irgendein Geschenk hier?“ Und dann sagte er: „Ja, wenn man zu seinem Freund hingeht, irgendwas muss ich ihm mitbringen.“ Dann sagte sie: „Ich habe nichts, was ich dir geben könnte. Aber ich habe dir ein Frühstück gemacht, das ist gebratener Reis. Und du kannst auf den ja verzichten, dann kannst du das deinem Krishna bringen. Aber weißt du, der isst jeden Tag ein Festessen oder könnte es essen, aber das kannst du mitnehmen, wenn du willst.“ Dann wickelte er dieses Essen in ein Tuch ein und er kam dann zu Krishna. Er sah diesen riesengroßen Palast und diesen Prunk und alles und er wusste gar nicht, was er machen sollte und wie er jetzt sich trauen sollte, zu Krishna hinzugehen.
Vielleicht mag der ein oder andere das auch kennen, vielleicht habt ihr irgendeinen Schulfreund, der Millionär geworden ist und ihr seid vielleicht einfache Yogalehrerinnen, die gerade mühselig ihr Dasein fristen. Wobei vermutlich heute diese Unterschiede nicht so groß sind, wie das vielleicht im alten Indien war. Aber vielleicht doch.
Und er wusste nicht, wie er jetzt weitergehen sollte und dann plötzlich öffnete sich eine Tür und Krishna kam rennend dort raus, umarmte ihn, sie haben sich ja lange nicht mehr gesehen, und er begrüßte ihn und brachte ihn hoch in ein Zimmer und wusch seinem Gast selbst die Füße. Irgendwo, mit Krishna gibt es öfters diese Fußwaschgeschichten. Die sind ja letztlich irgendwo ähnlich wie auch im Christentum, wo Jesus die Füße seiner Jünger gewaschen hatte, so wusch er ihm die Füße. Und dem war das ganz peinlich. Und sie erzählten vor der guten alte Zeit und dann fragte noch Krishna: „Hast du mir nichts mitgebracht?“ Und da versank er noch mehr in Scham, er hatte sich gar nicht getraut, etwas dort zu geben. Und dann: „Ja, ich habe das hier.“ Und Krishna nahm das und er aß es mit größtem Genuss und sagte: „Das ist das beste Essen, das ich jemals hatte. Weißt du, hier habe ich diese ganzen Köche und die kochen mir zwar was ganz Tolles, aber weißt du, das hier, da steckt deine ganze Liebe drin, das ist besser als alles andere. Brauchst du noch irgendwas sonst? Kann ich irgendwas für dich tun?“ Und dann sagte der Freund: „Ja, weißt du, solange ich deine Gegenwart spüre, mehr brauche ich nicht.“ Und Krishna fragte nochmal: „Willst du wirklich nichts anderes? Ich kann dir alles geben, was du willst.“ Da sagte er: „Krishna, einfach zu wissen, dass du dich nach so langer Zeit an mich erinnerst, ein größeres Geschenk kann es nicht geben.“ Und Krishna fragte zum dritten Mal: „Gibt es nicht irgendetwas, was du doch haben willst?“ Sagte er: „Ja, lass mich dich stets spüren, denn ich weiß, ich sehe dich als Freund an, aber ich weiß, du bist nicht nur Freund, du bist die Inkarnation Gottes. Daher, sei immer mit mir.“ Am Abend sagte er: „Jetzt muss ich wieder zurückgehen.“ Und voller Euphorie und Wonne verließ er den Palast und als er draußen war, dort schürte es ihm fast die Kehle zu. Wie er konnte er jetzt seiner Frau zu Hause in die Augen sehen? Wie konnte er seinen Kindern in die Augen sehen? Und er entschied sich: „Wenn ich zu Hause ankomme, dann werde ich mich verdingen als Tagelöhner, ich werde alles tun, ich werde rund um die Uhr arbeiten, dass meine Kinder und meine Frau nicht darunter leiden müssen, dass ich den Krishna um nichts anderes bitten konnte als seine Gegenwart und seine Liebe und ihn eigentlich Dank aussprechen wollte.“ Und als er sich dem Dort näherte, dort merkte er, irgendwo war es nicht mehr ganz das gleiche. Dachte er: „Was ist denn jetzt passiert? Ist da vielleicht eine Armee einmarschiert oder so etwas?“ Viel Musik hörte er dort und Feiern. Dachte er: „Das ist aber komisch.“ Und dann ging er in die Richtung seines Hauses. Erst dachte er: „Wie kommt das, dass nach einem Tag ich mich verirre?“ Da war keine Hütte, da war ein riesengroßes Haus und um das Haus waren Mangobäume, die reife Mangos hatten und Kokosnussbäume. Und er verstand nicht, was das war. Und als er in die Nähe kam, dort lief ihm seine Frau freudestrahlend entgegen und sagte: „Oh danke, dies alles ist von Krishna gebracht worden. Danke, dass du so Krishnas Herz erweicht hast, dass er uns zu Hilfe gekommen ist.“
Moral von der Geschichte? In sehr ähnlicher Form hat es Jesus auch gesagt: „Strebt zuerst nach dem Reich Gottes, dann wird euch alles andere selbst zufallen.“ Und das ist vielleicht eher eine Geschichte für fortgeschrittene Aspiranten. Am Anfang ist es ja durchaus hilfreich, Yoga hilft ja, gesund zu werden. Menschen machen Asanas und Pranayama für mehr Energie, für Entspannung. Wir machen besondere Asanas gegen Rückenbeschwerden. Man macht dieses gegen Asthma usw. Dann hilft Yoga auch, mehr Energie zu haben, um sich durchzusetzen. Wir haben gehört über die Muladhara Chakra Konzentration, wir bekommen Festigkeit und Stärke und lassen uns nicht einfach von unseren Vorhaben abbringen. Also, Yoga hilft auch in dieser Hinsicht. Irgendwann kommt aber dann auch ein Punkt, wo wir uns entscheiden müssen. Was ist für uns wichtiger? Gotteserfahrung oder das Materielle. Gotteserfahrung oder das Emotionale. Gotteserfahrung oder anderes. Und wenn wir dann die Entscheidung treffen, dass die Gotteserfahrung uns wichtiger ist als alles andere, dann wird uns alles andere von selbst zufallen. Dadurch, dass er in dem Moment Entsagung geübt hat, gab es nachher keine Ehekrise, es gab auch kein Hungern von seinen Kindern, sondern er hatte alles, was er gebraucht hat. Dadurch, dass er nach dem Höchsten gestrebt hat und nach dem Höchsten gebeten hat.
(unbearbeitete Niederschrift eines Vortrags von Sukadev bei Yoga Vidya Bad Meinberg)